Die sonnenbedingte Blendung – Beurteilung

Neben dem Wunsch nach sonnenreichen Aufenthaltsflächen, möglichst hell und natürlich beleuchteten Wohnräumlichkeiten, der Gewinnung von umweltfreundlicher Energie und Wärme etc. stehen den Vorteilen der Sonneneinstrahlung auch die Nachteile übermäßiger Blendungen entgegen, wenn diese bei der Planung und Ausführung von Glasfassaden, glänzenden Dächern und/oder von Anlagen der Energie- und Wärmegewinnung (Photovoltaik- und Kollektoranlagen) nicht ausreichend Berücksichtigung finden.

Zur Beurteilung sonnenbedingter Blendungen kann man sich im internationalen Umfeld nachstehender Richtlinien und Leitfäden wie z.B. dem Leitfaden FS-2014-160 „Lichteinwirkung auf die Nachbarschaft“ (insb. die Kapitel 6.2 und 6.3) des deutschen Fachverbandes für Strahlenschutz e.V. oder dem Leitfaden „Solaranlagen“ des Schweizer Fachverbandes für Sonnenenergie bedienen. Für Österreich wurden zu diesem Zweck die Grundsatzstudie „Medizinische Beurteilungsgrundlagen der Passiven Blendung“, herausgegeben vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien und die OVE Richtlinie R 11-3:2016 „Blendung durch Photovoltaikanlagen“ erstellt und angewendet.

Der OVE Richtlinie R 11-3:2016 nach gelten Wohn- und Schlafräume, aber auch Krankenzimmer und Schulräume; Büro-, Praxis- und Arbeitsräume; Erholungsbereiche im Außenbereich von Wohngebäuden und allgemein Verkehrsflächen als schützenswert.

Als Obergrenzen für eine zumutbare Blendung wird vergleichbar den internationalen Regelungen eine Einwirkung von 30 Minuten am Tag und/oder 30 Stunden im Jahr festgelegt.

Fotodokumentation der Sonnenreflexion an einem Solarmodul, Quelle: TB Doppler

Blendung 04

Begründet werden diese Zumutbarkeitsgrenzen mit der aufgezwungenen Einschränkung der Dispositionsfreiheit im Wohnumfeld und die Notwendigkeit für die Betroffenen – für die Zeitdauer der Belastung Abwehrmaßnahmen zu setzen, die je nach der aktuellen Tätigkeit als unangenehm oder störend empfunden werden. Ergänzt wurde zur OVE Richtlinie, dass ab einer Einwirkung von 60 Minuten am Tag bzw. 60 Stunden im Jahr zudem eine Gesundheitsgefahr vakant wird bzw. durch die Folgen chronischer Stresswirkungen aufgrund des länger andauernden Belästigungsempfindens diese nicht auszuschließen ist.

Diesbezüglich ist es die Aufgabe der lichttechnischen Gutachter, jene Bereiche zu ermitteln – die durch die interessierenden Anlagen eine relevante Immissionseinwirkung über die Dauer von wenigstens 30 Minuten am Tag und/oder 30 Stunden im Jahr erfahren.

Dem Stand der Technik folgend darf dabei ein vereinfachtes Rechenverfahren nach dem Prinzip „Einfallswinkel = Ausfallswinkel“ ohne Einbezug der sogenannten Bündelaufweitung erfolgen. Dieser Pragmatismus ist erforderlich, da trotz dem Wissen um die mikroskopischen bis makroskopischen Strukturen in der Oberfläche der Reflexionsebene und den davon induzierten wellenlängenspezifischen Brechungen und Beugungen des Lichts – die davon bestimmte Bündelaufweitung unter Laborbedingungen für jeden horizontalen und vertikalen Winkel an Einstrahlung am jeweiligen Produkt getestet und gesondert ausgewiesen müsste.

Weiter darf gemäß der OVE Richtlinie unabhängig vom tatsächlichen Wetter (z.B. Nebellagen und Bewölkungen) die theoretisch mögliche Sichtverbindung zur Sonne und davon abhängige Blenddauer tagesscharf bzw. über das Jahr ermittelt werden.

Die standortbedingte Varianz in Bezug auf die höchstmögliche Sonneneinstrahlung ist bei diesen Dimensionen eine akademische Frage von geringem Einfluss und unerheblich auf das Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung, da die Sonne selbst bei tiefem Stand noch immer eine Leuchtdichte von über 108 cd/m² (nur rd. 4 – 6% zu den Höchstwerten) aufweisen kann, ist selbst dann bei einem Reflexionsgrad von nur 1% die Schwelle zur Absolutblendung von 104 cd/m² um das 100-fache überschritten wird.

So genügt nach der OVE Richtlinie R 11-3:2016 bereits eine einzelne sonnenreflexionsbedingte Überschreitung von 30 Minuten an einem maßgeblichen Immissionspunkt zur kritischen Beurteilung!

Andreas Doppler, 16.08.2018
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