Laufend erreichen mich Anfragen betreffend den Nachbarschaftsschutz in Wohnbauten. So sind nachbarliche Geh- und Laufgeräusche (Trittschall), aber auch Musik- und Fernsehdarbietungen, Unterhaltungen etc. oftmals übermäßig wahrzunehmen. Und ich selbst kann Ihre Situation gut nachvollziehen. Auch bei mir gibt es NachbarInnen, die mich an Ihrem Leben teilhaben lassen, snief. Von quietschenden Wasserhähnen, Trampeltieren, Brüll-Orgien ist da alles dabei…
Zunehmend werden aber auch Konflikte aus dem Außenbereich vakant, wo mangelnde Rücksichtnahme durch auffallend laute Gespräche (z.B. nach 22 Uhr), disziplinloses Verhalten von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern etc. dem Ruhebedürfnis zur Abendzeit und an Ruhetagen zuwiderläuft. Basketball- und Fußballmatchés direkt vor dem Fenster-/Balkon; das packt auch die beste Dreifachverglasung nicht mehr!
Nicht ohne Grund gelten nach unseren facheinschlägigen Richtlinien (z.B. ÖAL Richtlinie Nr. 26-2:2014) öffenbare Fenster zu Wohn- und Schlafräumen als wesentliches Qualitätskriterium wie auch die Regelungen nach GewO (Gewerbeordnung als z.B. Gesetz für die Genehmigung von betrieblichen Nutzungen) vorsehen, dass ein Nachbar auch bei geöffnetem Fenster und im Garten etc. ein Recht auf die Einhaltung des erforderlichen Immissionsschutzes hat.
Eine Befragung und Auswertung im Rahmen der „Umweltbewusstseinsstudie 2019“ vom deutschen Umweltbundesamt zeigt auf, dass „Nachbarschaftslärm“ bereits an zweiter Stelle nach den Belästigungen durch „Straßenverkehrslärm“ zu liegen kommt. Denkt man nun daran, wieviel Aufwand und welche Kosten für den Schutz vor Verkehrslärm betrieben werden, um dem Gesundheitschutz der Bevölkerung nachzukommen, erkennen Sie nun auch vielleicht wie wichtig es als Nächstes ist, dass auch Planer, Wohnbauträger, Genossenschaften etc. beim Schutz von Nachbarschaften Verantwortung übernehmen.
Vom Sachverständigenkreis wurde daher auch ganz aktuell mit der neuen ÖNORM B 8115-2:2021 ein modernisiertes Regelwerk veröffentlicht, welches auf Grundlage von Schutzzielen eine Methodik für die Ermittlung von Schallschutzniveaus bezüglich der Immissionen des Schalleintrags auf Gebäude und des Schalleintrags innerhalb von Gebäuden festlegt.
Es wäre aber zu kurz gegriffen, nur die Baulichkeiten für Mängel am Schallschutz an den Pranger zu stellen. Vielmehr hat auch die soziale Verantwortung beim „Miteinander“ einen wesentlichen oder gar den erheblichsten Einfluss. Ist ein Miteinander aber nicht mehr durch gegenseitiges Verständnis, Erziehung und dgl. gewährleistet, wird es wohl verstärkt auch noch gesetzliche und/oder zivilrechtliche Regeln für einen Abgleich der divergierenden Interessen von „Lärmenden“ und „Ruhesuchenden“ brauchen.
So können auch „Hausordnungen“ in Bezug auf den Freiraumschutz erweitert werden, da die Liegenschaftseigner ansonsten „Besitzstörungen“ geltend machen können und nicht jedes Verhalten und jede Aktivität von „Gästen“ zu akzeptieren haben. Die Linzer GWG (Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz) hat diesbezüglich z.B. schon seit 2014 mit einer „kinderfreundlichen Hausordnung“ auf sich aufmerksam gemacht, die Kindern genügend Spiel- und Bewegungsräume zusichert, aber auch nur Ballspiele mit Weich- oder Schaumstoffbällen als Voraussetzung definiert.
Anbei eine Balkonmessung während einem jugendlichen Fussballspiel als Beispiel wie es nicht bleiben sollte. Die Belastung während dem „Spiel“ erreicht einen Beurteilungspegel von rd. 67 dB (Messwert 62 dB plus Anpassungswert von 5 dB für die subjektive Lästigkeit). Das übersteigt locker so manche Stadtkernlage oder Bereiche an Hauptverkehrsstecken!
Andreas Doppler, 29.06.2021
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